Carlotta steigt ein by Barnes Linda

Carlotta steigt ein by Barnes Linda

Autor:Barnes, Linda [Barnes, Linda]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


18

Samstag holte ich Paolina fünf Minuten früher ab, weil sie nervös wird, wenn ich zu spät komme. Sie kam aus der Tür gestürmt, mit hinter ihr her wehenden Zöpfen, und rief im gleichen Atemzug Marta ein Tschüs und mir ein Hallo zu; sie trug Turnschuhe, Jeans und ein rosa Sweatshirt mit Kapuze und einer doppelten Känguruh-Brusttasche.

Nachdem sie sich angegurtet hatte, steckte sie die Hände in den Taschenbeutel, und dann fuhren wir auf der Fernstraße 2 zur 128 zur 3, während sie mir den neuesten Schulklatsch erzählte. Wer nett und wer «fresh» war, was soviel wie «cool» bedeutet, wer in war und wer out. Zehnjährige — zumindest die Straßenkinder aus der Stadt — haben heutzutage eine Art, Urteile abzugeben, die bei uns, soweit ich mich erinnern kann, erst in der höheren Schule aufkam. Wissen Sie noch? Die Sportler und die Streber und die Schläger? Nur daß Paolina sie coole Typen, Freaks und «fresh» nennt. Glanzpunkte dieser Wochenübersicht waren die Abenteuer eines gewissen Emanuel Rodriguez, eines zwölfjährigen Schwarms, so «fresh», daß es keine Worte dafür gab.

«Er hat sogar diesem blöden alten Kerl gesagt, er soll abhauen», sagte Paolina stolz.

«Was für einem blöden alten Kerl?»

«Ach nichts. Nur so ein Freak, der die ganze Zeit auf der Veranda sitzt.»

«Hat Emanuel dich nach Hause gebracht?»

«Wir gehen manchmal zusammen», gab sie zu, «mit ein paar von den anderen.»

«T-Shirt? Ledertasche? Hatte der Kerl einen Bart?» Zipfelbart kam mir eigentlich nicht gerade alt vor, aber für eine Zehnjährige ist jeder uralt.

«Ja.»

Ich atmete tief aus und ein. «Hör zu, sag Emanuel, er soll sich von ihm fernhalten.»

«Ja, gut, aber er soll sich besser von Emanuel fernhalten.»

«Paolina», sagte ich ruhig, «das ist mein Ernst.»

«Ja, klar», sagte sie.

«Hat euch der Kerl je belästigt?»

«Nein.»

«Euch angesprochen?»

«Nein.»

Das zweite Nein kam nach einer kleinen Pause. Ich sagte nichts weiter. Es hatte einen falschen Klang.

«Er verkauft Stoff», sagte sie schließlich. «Du weißt schon, Carlotta, Drogen und so ‘n Zeug.»

Ein Glück, daß kein besonders starker Verkehr herrschte, denn ich war einen Moment lang das, was die Leute meinen müssen, wenn sie «blind vor Wut» sagen. Ich sah nichts mehr. Ich hörte nur noch schwach, daß Paolina redete.

«Mit mir ist alles in Ordnung», sagte sie. «Das weißt du doch. Aber er geht direkt zur Schule. Zu richtig kleinen Kindern aus der zweiten Klasse, kleinen Dummköpfen, die immer zeigen wollen, wie mutig sie sind.»

Ich sagte immer noch nichts. Jetzt wäre ich gern noch bei den Cops gewesen. Wäre ich Polizistin, säße dieser Kerl hinter Schloß und Riegel.

«Carlotta —»

«Hör zu, Paolina. Wenn er dich je belästigt, dich je wieder anspricht, dann sag es mir. Ruf mich an.»

«Okay.»

«Und halt dich von dem Typen fern.»

«Kein Problem. Tut mir leid, daß ich überhaupt was gesagt habe.» Sie vergrub die Hände tiefer in ihrer Tasche und starrte auf den Fußboden mit dem sicheren Gefühl, mir die Laune verdorben zu haben.

Dieser verdammte Bastard von Dealer.

Ich langte hinüber und tätschelte ihr die Schulter, und nach einer Weile beruhigte sie sich und schaute aus dem Fenster.

«Ach, Paolina», sagte ich, «ich bin froh, daß du mir von dem Kerl erzählt hast.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.